Hugo von Sankt Viktor - Institut
für Quellenkunde des Mittelalters
Tagungsbericht

Christlicher Norden – Muslimischer Süden/
Christian North – Muslim South

Die Iberische Halbinsel im Kontext kultureller, religiöser und politischer Veränderungen
zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert/

The Iberian Peninsula in the Context of Cultural, Religious and Political Changes
(11th-15th Centuries)

Frankfurt am Main, 20.–23. Juni 2007/
Frankfurt/Main, June 20–23, 2007
 

 

Charles Burnett (London): The Place of Magical and Alchemical Works in the Arab-(Castilian-)Latin Translation Movement of the 12th-13th Centuries

Welchen Platz haben die magischen und alchemistischen Werke im Wissenschaftssystem des 12. und 13. Jahrhunderts eingenommen? Der Referent zeigt zunächst auf, welche Rolle das Konzept von Naturwissenschaft im iberischen Hochmittelalter gespielt hat. Er geht dann kurz auf die Rolle des Gerhard von Cremona ein. Es muß so etwas wie eine „shoppinglist“ gegeben haben, mit der auswärtige abendländische Lehrer an ihn herangetreten sind, um bestimmte Lücken in ihren lateinischen Wissensbeständen schließen zu können. Die Lücken dieser Liste des achtteiligen peripatetischen Programms von der Naturwissenschaft sind dann durch die verschiedenen Übersetzer des 12. und 13. Jahrhunderts allmählich gefüllt worden. Naturwissenschaft ist zu dieser Zeit eine Form von Gottessuche, jedoch gibt es verschiedene Traditionen der Konzeption von Naturwissenschaft, wie sie etwa in De ortu scientiarum und in der Klassifikation der Wissenschaften durch al-Farab? grundgelegt sind. Diese beiden Konzepte von Wissenschaft laufen auf der Iberischen Halbinsel nebeneinander her, aber befruchten sich auch gegenseitig. Dann beschreibt der Referent den Platz von Magie und Alchemie in der Arabisch-(Kastilisch)-Lateinischen Übersetzungsbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts. In der lateinischen Tradition (zum Beispiel bei Hugo von Saint-Victor, Didascalicon) gehören beide Fächer zu den sieben „artes mechanicae“. Es existiert ein spezifisches Fachvokabular, das aus dem Arabischen kommt und nicht in anderen Texten zu finden ist.

Hans Daiber (Frankfurt am Main): Weltgeschichte als Unheilsgeschichte. Die arabische Übersetzung von Orosius’ ‚Historiae adversus paganos’ als Warnung an die Muslime Spaniens

Der Referent beschreibt die arabische Übersetzung von Orosius’ Historiae adversus paganos (418; von Augustinus veranlaßt; gedacht als Ergänzung zu De civitate Dei). In Orosius’ Text wird erstmals eine Symbiose von römischer Reichsidee und christlicher Heilsgeschichte formuliert. Er ist also eine Widerlegung des Vorwurfes, die Christen wären die Ursache für den Untergang des weströmischen Reichsteils. Auch ist der Text die erste christliche Heilsgeschichte. Die arabische Übersetzung dürfte gegen Ende des 9./Anfang des 10. Jahrhunderts angefertigt worden sein. Es ist der einzige lateinische historische Text (zudem aus vorislamischer Zeit), der ins Arabische übersetzt worden. Von dieser Übersetzung ist nur eine einzige arabische Handschrift erhalten bzw. bekannt. Rezipiert wird der arabische Orosius dann im Córdoba des 10. Jahrhunderts von dem arabischen Historiker Ahmad al-Razi (nur erhalten in der kastilischen Crónica del Moro, 13. Jahrhundert). Bemerkenswert ist, daß die Übersetzung keine wesentlichen Änderungen an der lateinischen Vorlage hinsichtlich ihrer geschichtstheologischen Konzeption vornimmt, auch wenn sie Passagen aus Isidor mit einbezieht. Hierbei handelt es sich wohl um eine Überarbeitung, die für eine doppelte arabische Leserschaft angefertigt worden ist: Sie dient als Warnung an die Muslimen vor ihrem Untergang und zugleich als Ermutigung der Christen, ihr Glaube werde allein übrigbleiben.

Rafael Ramón Guerrero (Madrid): El conocimiento de la filosofía árabe y musulmana por parte de algunos judíos hispanos del siglo XI y comienzo del XII

Der Vortragende spricht über philosophisches arabisches und muslimisches Wissen bei ausgewählten spanischen Juden im 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Er hebt vor allem auf das aristotelische Wissen ab, wobei u. a. al-Kind?, al-Farab? genannt werden. In al-Andalus handelt es sich bezüglich dieses Wissens natürlich vor allem um eine Begegnung von Muslimen und Juden, während Christen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Dabei ist wichtig zu wissen, in welchen Gemeinschaften dieser Dialog stattfindet. Genannt werden als wichtige Städte der literarischen muslimisch-jüdischen Begegnung Córdoba und Zaragoza, unter den jüdische Autoren als ältester Ibn Gabirol, dann Ibn Ezra und schließlich Judah ha-Levi. In diesen muslimisch-jüdischen Begegnungen geht es um wissenstheoretische, mystische und poetische Inhalte. Daneben gibt es auch einen breiten Disput zwischen Juden, Muslimen und Christen darüber, was man unter einem Propheten zu verstehen habe. Zusammenfassend kann man sagen, daß al-Andalus seit dem 11. Jahrhundert gegenüber den Herrschaftsräumen der anderen muslimischen Dynastien im Mittelmeerraum, etwa gegenüber den Fatimiden, einen alternativen Ansatz zur Selbstbestimmung mittels Wissens entwickelt hat. Diese gemeinsame kulturelle Entwicklung geht mit dem politischen Zerfall von al-Andalus einher.

Alexander Fidora (Barcelona/Frankfurt am Main): Die Wahrnehmung des Anderen im Spiegel von mittelalterlichen Übersetzungstheorien

Der Referent problematisiert die Wahrnehmung des Anderen im Spiegel von mittelalterlichen Übersetzungstheorien und konzentriert sich dabei auf philosophische Texte. Angesprochen werden zunächst die jüngsten Forschungstendenzen, welche die Scheidung von orientalischen und humanistischen Übersetzern (Ch. Burnett), die Entwicklung des Selbstbewußtseins des Interpreten (Th. Ricklin) und den Ausdruck der Inferiorität des Übersetzers (Martínez Gázquez) in den Blick nehmen. Nach einer kurzen Skizze zur Theorie des Übersetzens zwischen Antike und Hochmittelalter (anhand der Autoren Cicero, Horaz, Hieronymus, Boethius, Johannes Scotus Eriugena und Burgundio von Pisa) wird die stetige Ausdehnung des wortwörtlichen Übersetzungsparadigmas auf die neuen Texte des griechischen Wissensbestandes (Philosophie, heilige Texte) angesprochen. Auf der Iberischen Halbinsel folgt man aber nur teilweise dieser Tradition. Zwar gibt es einerseits die Ehrfurcht vor der Sakralität des arabischen Ausgangstextes, aber es gibt auch den Vorwurf der typisch arabischen Weitschweifigkeit („prolixitas“). Im Gegensatz zur graeco-lateinischen Übersetzung wird hier sehr oft die fehlende Normativität der arabischen Ausgangssprache betont. Insofern ist in den Übertragungen mehrfach die Zwitterlösung zwischen Wörtlichkeit und sinngemäßer Übersetzung zu beobachten. Als allgemeine Tendenzen sind die Desakralisierung der Ausgangssprache, das pragmatische wissenschaftliche Übersetzen (‚Arbeitsübersetzungen’, in denen verschiedene Übersetzungstraditionen einfließen, die als solche gekennzeichnet werden) und die Entwörtlichung als Ausdruck eines neuen Paradigmas von philosophischem Übersetzen zu beobachten. Die jüngeren arabisch-lateinischen Aristoteles-Übersetzungen seien im Widerspruch zu Minio-Paluelo nichts Neues gegenüber den älteren griechisch-lateinischen, weil sie statt auf Wortwörtlichkeit vermehrt auf Sinngemäßheit setzen. Dabei sei das Neue dadurch zu erklären, daß sich die Wahrnehmung der Texte geändert habe.

Ángel Sáenz-Badillos Pérez (Cambridge/Mass.): La imagen del ‚cristiano’ y del ‚moro’ en la literatura hebraica de la Península Ibérica medieval

Der Referent beschreibt die jüdische Gemeinschaft der Iberischen Halbinsel als sich „im Exil befindlich“, denn sie beschuldigt die beiden anderen Gemeinschaften der Muslime und Christen für dieses Exil. Man muß zwischen dem Leben und der literarischen Tätigkeit der jüdischen Gemeinschaften unter der jeweils herrschenden religiösen Mehrheit unterscheiden. Der Referent zeigt anhand von Texten aus unterschiedlichen Genera auf, daß das Bild der ‚religiös Anderen’ in ihnen sehr unterschiedlich ist. Man muß demnach auf ihren ‚Sitz im Leben’ achten, also darauf, wo und für wen die Autoren geschrieben haben: Während das Bild in der liturgischen Dichtung und in den polemischen Schriften besonders negativ ist, fällt es in der weltlichen Dichtung und Philosophie viel positiver aus. Wir können hier also ähnliche Beobachtungen wie in der christlichen Literatur machen. Generell aber kann man feststellen, daß das Bild von den Muslimen und Christen genauso negativ ist wie umgekehrt deren Bild von den Juden und Muslimen. Behandelt werden ausgewählte Autoren des 11. bis 15. Jahrhunderts wie Samuel ha-Nagid, Ibn Ezra, Ibn Gabirol, Moses Maimonides, Todros Abulafia usw. Als Sprachen verwenden diese Autoren zunächst Arabisch, dann auch zunehmend Kastilisch.

Christiane Kothe (Köln): Transformation Processes Relying on Substrate from Late Antiquity: Ibero-occitan Vegetal Capitels of 11th and 12th Centuries

Die Referentin spricht über das kunstgeschichtliche Substrat der Spätantike, das man insbesondere an den vegetabilen Kapitellen der iberisch-okzitanischen Kunst des 11. und 12. Jahrhunderts ablesen kann. Sie formuliert zunächst eine dezidierte Kritik an der in der Kunstgeschichte weit verbreiteten Vorstellung von ‚Einflüssen’, welche jedoch die politisch-ideologische Dimension von künstlerischen Ausdrucksformen kaum berücksichtigt. Sie problematisiert das in der Cordobeser arabischen Kunst erkennbare spätantike christliche Substrat, das die Ummayaden nach Spanien gebracht hätten. Diese Kunstformen strahlen bis nach Nordspanien und Südfrankreich aus (Beispiele romanischer Kapitellkunst aus Aragón und Okzitanien: Loarre; San Juan de la Peña; Saint-Gaudens; Mazères; Unac). Die Referentin interpretiert diesen Transfer künstlerischer Expressionsformen als Ausdruck der Zugehörigkeit zu einem weit gespannten kulturellen Raum (‚cultural space’). Mit ihren Worten kann man vielleicht von ‚kultureller Osmose’ sprechen. Gezeigt werden Beispiele aus der Bauskulptur sowie der Buch- und der Kleinkunst in einem Raum, der sich zwischen Mesopotamien, Ägypten, Nordafrika, al-Andalus, Nordspanien und  Südfrankreich erstreckt.

Almudena Blasco (Barcelona): Astudillo como ejemplo de las transferencias del arte árabe en Castilla

Die Referentin zeigt am Fallbeispiel Astudillo, einem Ort in Kastilien (Provinz Palencia), wie man den geschichtlichen Transfer von arabischer Kunst auf lokaler Ebene im 14. Jahrhundert illustrieren kann. Zunächst schildert sie in einem Überblick die Grundzüge der kulturellen Zonen in Kastilien im Hoch- und frühen Spätmittelalter seit dem 12. Jahrhundert. Als Beispiele werden vorgestellt aus dem Bereich der weltlichen Baukunst die arabisch beeinflußte Bauplastik am Palast Peters I. des ‚Grausamen’ und seiner Gattin María de Padillas und aus dem Bereich der geistlichen Architektur verschiedene Klosterbauten. Sichtbar ist der arabische Anteil am allgemeinen Architekturtransfer vor allem an der Gestaltung der Fensterbögen. Als Vergleichsbeispiele werden Bauten aus Tordesillas und Sevilla herangezogen. Es stellt sich die Frage, inwieweit man diese Kunst noch als ‚Mudéjaren- oder Maurische Kunst’ bezeichnen kann.

Roger Friedlein (Berlin): Wahrnehmung und Deutung des Fremden in der Dialogliteratur des Raimundus Lullus

Raimundus Lullus ist eine Schlüsselfigur für die Begegnung zwischen Christen und Muslimen und für die allgemeine Missionsgeschichte im Mittelalter. Der Referent schildert, wie Lullus in seinen literarischen ‚Religionsdialogen’ die Figur des Muslimen inszeniert. Er nennt als literarische Figuren des ‚Christen’ die Romanfigur Blanquerna und den Felix. Dem Vortrag sind die zwei Dutzend literarische Dialoge und die Exempelliteratur des Lullus zugrundegelegt. Diese Texte müssen neben den philosophischen Texten (rund um die sog. Ars) und den missionstheoretischen Schriften zu den narrativen Texten des Lullus gezählt werden. Die Bezeichnung der Muslime ist in Lullus’ Muttersprache Katalanisch ganz traditionell „Sarrai“, im Lateinischen demnach „Saraceni“. Anhand ausgewählter Beispiele aus den Dialogen kann die recht unterschiedliche Rolle der literarisch inszenierten Figur des/der Muslime/n deutlich gemacht werden. Daneben gibt es auch den Typus des Ungläubigen („infidelis“), den man zumeist keiner konkreten Religion zuordnen kann, wobei aber auffällt, daß gerade in Lullus’ letztem Religionsdialog von 1314, dem Liber de Deo maiore et Deo minore, mit „infidelis“ der Jude und der Muslim bezeichnet werden. Insgesamt aber ist der Terminus bei Lullus so etwas wie ein narratives ‚Passepartout’. Die Grundthese des Referenten lautet, daß die fiktiven Dialoge des Lullus nicht mimetische Modelle von (historisch gar nicht existierenden) Religionsgesprächen sind, sondern Modelle für herbeigesehnte Religionsgespräche, in denen sozusagen ein neues intellektuelles Niveau durchgespielt werden kann. Die sehr schematische Figurencharakterisierung bei Lullus wäre also damit zu erklären, daß die Dialoge des Mallorquiners in erster Linie der Veranschaulichung seiner Ars dienen.

John Tolan (Nantes): „Ipsius gladio occidere“. The Use and Abuse of Scripture in Iberian Religious Polemics

Der Referent skizziert den Gebrauch und den Mißbrauch der heiligen Schriften als Waffen und Ziele im iberischen Kulturraum zwischen dem 11. bis zum frühen 14. Jahrhundert, wobei sein thematischer und inhaltlicher Schwerpunkt auf dem 13. Jahrhundert liegt. In einem komparatistischen Ansatz werden Gebrauch und Mißbrauch nicht allein seitens der Christen, sondern auch der Muslime und Juden thematisiert. Zunächst wird die Attacke des Muslimen Ibn Hazm von Córdoba auf die Bibel beschrieben, die Gegenstand einiger jüngerer Studien ist. Ein wichtiges Thema dieses Angriffs ist die durch die Juden betriebene Fälschung bestimmter Stellen vor allem im Buch Genesis, aber auch in den Evangelien. Ibn Hazms zentraler Vorwurf lautet, daß Juden und Christen die Tradition der heiligen Schriften gar nicht bewahren können. Dann wird die Widerlegung von Talmud und Koran im Dialogus contra Iudaeos des zum Christentum konvertierten Juden Petrus Alfonsi thematisiert. Petrus’ Attacke verrät zumindest Kenntnis der Argumentationsweise des Ibn Hazm, denn auch er will den Gegner mit seiner Waffe töten („ipsius gladio occidere“). Dann werden Beispiele aus dem dominikanischen 13. Jahrhundert vorgebracht, das gekennzeichnet ist durch die massive Lektüre von authentischen jüdischen und arabischen Texten, die stets der Mission dienen soll. Erwähnt werden der Missionstheoretiker und Dominikaner Raimundus von Penyafort, die Barceloniner Zwangsdisputation von 1263 mit ihren Protagonisten Moses Nachmanides und Paulus Christiani und der Dominikaner Raimundus Martini mit seinem Pugio fidei.

José Martínez Gázquez (Bareclona): Las glosas en la traducción más antigua del Alcorán proveniente de la Península Ibérica

Der Referent spricht über die Glossen zur ersten lateinischen Koranübersetzung des Robert von Ketton, die möglicherweise Petrus von Poitiers, der Sekretär des Abtes von Cluny, Petrus Venerabilis, redigiert hat. Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Oxforder Handschrift Corpus Christi College, Ms. 184 aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, welche die Glossen vollständig überliefert, während der aus Cluny stammende Pariser Codex BArs, Ms. 1162 aus dem 12. Jahrhundert heute zu Beginn verstümmelt ist. Beide Handschriften gehören aufgrund ihrer Glossierung eng zusammen. Später kamen auch andere Glossen von unbekannten Autoren dazu, die wichtige Einblicke in die weitere Beschäftigung mit dem Koran gewähren. In der Erstausgabe des lateinischen Koran von 1543 sind die Glossen als Appendix gedruckt worden, die in der verschollenen Handschrift des Nikolaus von Kues zu finden waren. Innerhalb der Glossierung finden sich auch Spuren jener Redaktionsarbeit des Petrus von Poitiers, die der Vorbereitung der Capitula-Sammlung dienten, die für das von Petrus Venerabilis geschriebene Widerlegungswerk gegen den Islam, Contra sectam Sarracenorum, angelegt worden ist. Der Vortrag geht dann auf das Problem der Einteilung des Koran ein, denn es liegen nicht 114, sondern 123 bzw. 124 Suren vor. Diese Einteilung stammt wahrscheinlich von Robert von Ketton, der sich dabei an der sog. hizb-Einteilung des liturgisch genutzten Koran orientiert hat. Vorgestellt werden ferner verschiedene polemische Kommentare in der Glosse zu einzelnen Suren. Der Vortragende weist zum Schluß auf die von François Deroche beschriebene arabische Handschrift Paris, BnF, Ms. Arab. 384 aus dem 12. oder 13. Jahrhundert hin, die ein Lateiner in Konstantinopel erworben hat und die lateinische Glossen von zwei Händen des 13. Jahrhunderts enthält. Diese Glossen werden demnächst ediert.

Oscar de la Cruz Palma (Barcelona): Notas de lectura a la „Chronica mendosa et ridicula Sarracenorum (s. XII)“

Der Vortrag behandelt eine wichtige Begleitschrift in der sog. Collectio Toletana des Petrus Venerabilis, die sog. Chronica mendosa et ridicula Sarracenorum, die der Koranübersetzer Robert von Ketton übertragen hat. Das unter dem Titel Fabulae Saracenorum gedruckte Textstück ist hingegen nur der Prolog des Robert von Ketton zu dieser Chronik. Es fällt auf, daß Robert im Gegensatz zu seinem Kollegen Hermann von Kärnten, der ebenfalls an der Erstellung der sog. Collectio Toletana mitgewirkt hat, seine Übersetzungen immer mit einem Vorwort versehen hat. Die Chronica mendosa et ridicula Sarracenorum ist eine adaptierte Genealogie der Familie Mohammeds, die von dem Referenten nachgezeichnet und mit anderen Überlieferungen abgeglichen wird. Auffällig ist, daß die Genealogie der Chronica mendosa et ridicula Sarracenorum zwar sehr differenziert ist, daß jedoch gerade in der unmittelbaren ‚Nachbarschaft’ des Propheten einige Unstimmigkeiten auftreten. Der Referent vermutet hier eine über einen bloßen Abschreibefehler hinausgehende Ursache in der Tradition.

Chaim Hames (Beersheva): „And on this stone I will build my community“. Jewish Use of the Gospel in Fifteenth-Century Spain

Der Referent problematisiert den jüdischen Gebrauch der Evangelien auf der Iberischen Halbinsel während des 15. Jahrhunderts. Nun steht der mittelalterliche christliche Vorwurf im Mittelpunkt, die Juden hätten den Bibeltext verfälscht. Dazu muß man wissen, daß hebräische Übersetzungen von Evangelien (auch von Teilen) seit langer Zeit typischer Bestandteil der jüdischen Polemik gegen die Christen gewesen sind. Ganz nebenbei wird auf eine noch kaum beachtete Handschrift im Vatikan hingewiesen, die eine katalanische Übersetzung aller vier Evangelien enthält. Der Referent stellt dann die hebräische Evangelienübersetzung eines nicht näher bekannten Franciscus vor, die zwar erst in Handschriften seit dem 18. Jahrhundert überliefert ist, aber wohl ins 15. Jahrhundert datiert werden muß, da die Nutzung der christlichen Quellen (unter anderem franziskanische Autoren) für einen in Kastilien lebenden jüdischen Autor aus dieser Zeit spricht. Die Übertragung ist in der Absicht geschrieben, daß Jesus und die Apostel ihrerseits die Gültigkeit der Thora anerkennen sollen. Im Zeitalter der jüdischen Massenkonversionen seit dem späten 14. Jahrhundert soll die Einbeziehung der Evangelientexte in die jüdische Polemik die Unrichtigkeit der Evangelien erweisen und schlagende Gegenargumente gegen die Christen bereitstellen.

Ludwig Vones (Köln): Die päpstliche Einflußnahme im iberischen Raum zur Förderung von Integrations- und Desintegrationsprozessen

Die Einführung des römischen Ritus am Ende des 11. Jahrhunderts ist in etlichen Chroniken Navarras (z. B. von San Juan de la Peña; Cardeña) bezeugt, während die römische Liturgie in Katalonien schon in karolingischer Zeit eingeführt worden ist. Treibende Kraft für die Einführung in Nordspanien (León, Navarra) ist Cluny, vor allem über das nordspanische Kloster Sahagún, das gewissermaßen ein zweites Cluny auf der Halbinsel während des Abbatiats Bernhards ist. Mit dieser Einführung ist die Verdrängung der alten westgotischen, der sog. mozarabischen Liturgie verbunden. Das Konzil von Burgos 1080 legt dann die römische Liturgie endgültig fest und damit verbunden die Verbindlichkeit des kanonischen Rechts. Durch den Einbezug des Adels und der Kirchenleute ist damit zumindest indirekt die Einflußnahme des Papsttums auf die iberischen kirchlichen Verhältnisse und Strukturen festzustellen. Hierbei spielt natürlich die alte Kirchenmetropole Toledo eine große Rolle, die als erste wieder den Metropolitanstatus erhält, während Tarragona zunächst unter der Verwaltung von Narbonne verbleibt. Unter Erzbischof Bernhard, dem ehemaligen Abt von Sahagún, kommt es zur Einführung der neuen römischen Liturgie unter Beibehaltung des mozarabischen Ritus an bestimmten Kirchen Toledos. Papst Gregor VII. möchte seinerseits den päpstlichen Primat über die „Hispania“ sowohl spirituell wie kirchenrechtlich errichten, was sich etwa auch in seiner ‚kreativen’ Bezugnahme auf die sog. Konstantinische Schenkung hinsichtlich der iberischen Verhältnisse zeigt. Interessant ist, daß weder das Papsttum noch Gelehrte des kanonischen Rechts eine Integrationsstrategie gegenüber den unterworfenen Muslimen entwickelt haben. Betont wird eher das Trennende als das Zusammenleben: Das entspricht dem kirchenrechtlichen Verhalten gegenüber den Juden, woran man sich bezüglich der Muslime orientiert, auch wenn die Schutzaufgabe gegenüber den Juden nicht auf die Muslime übertragen wird.

Patrick Henriet (Bordaux): Propagande hagiographique et reconquête hispanique

Der Referent beschreibt in einem weit ausgreifenden Überblick das Problem der hagiographischen Propaganda und der spanischen Reconquista von ihrem Anfang bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Dazu muß man wissen, daß im Frühmittelalter der Beitrag der Iberia zum hagiographischen Gesamtœuvre Europas eher bescheiden ist. Zunächst stellt der Vortragende das Corpus der sog. freiwilligen Martyrer von Córdoba aus dem 9. Jahrhundert mit seinen Hauptautoren Eulogius und Paulus Albarus vor. In diesem Zusammenhang kann man von einer Bewegung der „deterritorialisation“ der Iberischen Halbinsel sprechen, die folgenden Ziele verfolgt: Schmähung Mohammeds, Betonung der Gleichwertigkeit der Martyrer Córdobas im Vergleich zu den antiken Martyrern und Ausdruck einer soteriologisch-eschatalogisch Perspektive. Der Vortrag leitet dann zu der Frage über, ob es Ende des 9. Jahrhunderts/Anfang des 10. Jahrhunderts bereits eine Diskussion um jene Erscheinung gegeben hat, die wir heute ‚Reconquista’ nennen. Wenn dies der Fall sein sollte, dann hat diese Diskussion allenfalls in der Historiographie (mit einer dezidierten alttestamentlichen Sicht), nicht aber in der sehr konservativen Hagiographie stattgefunden, die auch weiterhin rar ist. Seit dem 12. Jahrhundert ist dann aber auch in hagiographischen Texten immer mehr das Eindringen von Muslimen etwa in Form der Konfrontation zwischen einem Sarazenen und einem Christen festzustellen (z. B. bei Raimundus von Roda). Der Referent erwähnt hier etwa die Mirakelsammlungen von S. Domingo de Silos (Anfang des 12. Jahrhunderts) oder von S. Isidro de León (Ende des 12. Jahrhunderts). Ein weiteres dominierendes Thema seit dem 12. Jahrhundert sind die christlichen Gefangenen in muslimischen Gefängnissen, die durch iberische Heilige befreit werden. Diese hagiographischen Neuerungen erklären sich aus der besonderen Rolle der iberischen Frontgesellschaft des Hochmittelalters, die eine ganz eigene Form der sog. Grenzhagiographie entwickelt hat. Schließlich werden die iberischen Heiligen sogar in die militärischen Aktionen der allgemeinen Reconquista einbezogen. Die Hagiographie ist hier ganz deutlich ein Vehikel der allgemeinen Eroberungsbewegung auf der Iberischen Halbinsel. Schließlich thematisiert der Vortrag die Jakobusverehrung und die damit verbundene internationale Pilgerbewegung und ihren antimuslimischen Duktus. Erwähnt werden die sog. Historia Silense, der Bericht von der Eroberung von Coimbra und von der Schlacht von Clavijo. Hier erscheint der Heilige zunehmend als Schlachtenhelfer, dann sogar als Maurentöter („Matamoros“), ein Motiv, das in einem der Mirakel des Lucas von Túy sogar auf Isidor von Sevilla übertragen wird. In diesen Wunderberichten wird auch die Geschichte von der unmittelbaren Begegnung der Zeitgenossen Isidor und Mohammed auf der Iberischen Halbinsel erzählt. Als Schlachtenhelfer wird auch der hl. Emilian in San Millán de la Cogolla inszeniert. Schließlich muß hier der katalanische Heilige Georg (Jordi) im Tatenbericht Jakobs I. von Aragón Erwähnung finden. Der Heilige als Soldat ist zwar keine Erfindung Spaniens, aber er ist dort seit dem 12. Jahrhundert besonders prominent vertreten. Am Ende geht der Vortrag noch kurz auf das Phänomen der Translation von Heiligenreliquien aus dem andalusischen Süden in den iberischen Norden im Kontext der einsetzenden Reconquista ein. Diese hagiologische Erscheinung gewährt einen vorzüglichen Einblick in das geographisch-territoriale Verständnis der Zeit.

Wolfram Drews (Bonn): Dialog als Krise? Chancen und Risiken der Grenzüberschreitung

Der Referent problematisiert den Dialog zwischen den Religionen. Er stellt die Frage nach den Chancen und den Risiken der interreligiösen Grenzüberschreitung. Nach einer Skizze der Gegenwartssituation in Deutschland (Muslimenrat in Berlin) und der kirchlichen Szene (interreligiöse Initiativen Papst Benedikts XVI.) geht der Referent auf die verschiedenen Dialogtraditionen der Antike ein. Er nennt dabei den emergenten, dialektischen Dialog, der sich offen auf die Wahrheitssuche begibt, während der didaktische, doktrinale Dialog bereits von einer fixen Wahrheit ausgeht. Beide Dialogformen sind aber jeweils literarisch und inszeniert und müssen sich daher keineswegs auf historische Begebenheiten beziehen. In der Antike gibt es bereits die Vorstellung von der gemeinsamen Berufskleidung („vestis“ – „schema“) der Philosophen, die in den Dialog eintreten. Als Beispiel für den didaktischen Dialog wird zunächst der Dialogus contra Iudaeos des Petrus Alfonsi genannt, der wie die antike Schrift des Justinus Martyr nicht mit der Taufe des Juden endet (zumindest wird sie nicht explizit erwähnt). Besondere Kennzeichen sind hier die allmähliche Selbstfindung und das Verstehen eines Lebensweges als Spiegelbild des Gangs der Heilsgeschichte. Der Referent formuliert die überlegenswerte Idee, daß zur Entstehung dieses Dialogs im frühen 12. Jahrhundert noch kaum die Möglichkeit bestand, sich in die gerade erst etablierenden neuen monastischen Institutionen des Abendlandes zu integrieren (die der Referent als noch geradezu deviant kennzeichnet). Es wird die Frage aufgeworfen, ob Petrus’ Dialog nicht den Versuch darstellt, dieses Vakuum durch eine literarische Eigenkonstruktion zu kompensieren. Als zweites Beispiel für einen hochmittelalterlichen Dialog werden die jüdischen und christlichen Aufzeichnungen der Barceloniner Zwangsdisputation von 1263 angesprochen. Die wesentliche Unterschiede zwischen Petrus Alfonsi und Paulus Christiani, einem konvertierten Juden, der die Disputation von Barcelona führt, bestehen darin, daß Petrus ein Einzelgänger und nicht im Klerus verankert ist, während Paulus Mitglied des etablierten Dominikanerordens ist, daß es sich bei Petrus um ein fiktives Gespräch handelt, während bei Paulus ein wirkliches Gespräch vorliegt, daß bei Petrus der Jude nur einsehen und erkennen kann, während bei Paulus der Jude tatsächlich christliche Einwände abweisen kann, und daß bei Petrus die Unrichtigkeit der jüdischen nachbiblischen Traditionen aufgezeigt wird, während Paulus auch die Richtigkeit des Christentums auf der Grundlage der jüdischen Tradition erweisen kann. Zum Schluß schlägt der Vortrag den Bogen wieder zur Gegenwart, indem er Überlegungen dazu anstellt, wie der emergente Dialog im 21. Jahrhundert aussehen sollte bzw. könnte, ob er etwa eine Form der gemeinsamen Wahrheitssuche in einer produktiven Krise gerade auch der eigenen Position sein könnte.

Matthias Maser (Erlangen): Selbstfindung im Spiegel arabisch-lateinischer Historiographie der Iberischen Halbinsel

In diesem Referat geht es um iberische Geschichtsschreibung als Form der Sinnstiftung und Identitätskonstruktion. Zunächst wird festgestellt, daß es in der Historiographie der Iberischen Halbinsel eher um die Trennung von „arabisch“ und „lateinisch“ geht. Wir treffen in der Chronistik sowohl des christlichen Nordens wie des muslimischen Südens in der Tat ein Bild der Zweiteilung entlang einer Glaubensgrenze an. Der Schwerpunkt des Vortrags liegt dann aber auf der sog. iberischen nationalen Geschichtsschreibung des 13. Jahrhunderts, wobei die Perspektive der arabischen Seite nicht vergessen wird. Historischer Kontext der Historiographie ist die nur mehr progressive Reconquista seit Las Navas de Tolosa (1212), Córdoba (1236) und Sevilla (1248). Erstmals seit den 1230er Jahren gibt es auf der Halbinsel wieder eine gesamtiberische lateinische Geschichtsschreibung, obwohl es, wie übrigens auch in der Vergangenheit nicht, real keine Einheit gibt. Zunächst wird das Chronicon mundi des Lucas von Túy von 1238 angesprochen, das nach der Eroberung Córdobas entstanden ist. Hier wird Isidor als Heiliger eines paniberischen Primats aus der Perspektive von León geschildert. Diese Perspektive ist insofern spannend, als der Blick des Historiographen bereits auf das noch nicht eroberte Sevilla gerichtet ist. Erwartet wird die Wiederherstellung der alten westgotischen Ordnung. Dabei ist Isidor der Kronzeuge des sog. Neogotizismus. Hier muß man an Isidors Historia Gothorum denken, daß seinerseits ein Werk des politischen Integrationswillens gewesen ist. Die Rolle der Muslime kann daher in Lucas’ Chronicon mundi nur eine periphere sein. Als zweites Beispiel spricht der Vortrag die Geschichtsschreibung des Rodrigo Jiménez de Rada an, und zwar seine Historia Gothorum und seine Historia Arabum. Diese sich gegenseitig ergänzenden Texte dienen der Einigung der alt- und neukastilischen Reichsteile. Die „Arabes“ werden hier aber vornehmlich ethnisch verstanden, nicht religiös, Mohammed ist hauptsächlich der Begründer eines arabischen Königtums. Neu ist die Integration der Araber in die eigene gotische Geschichte. Das historiographische Konzept des Rodrigo wird dann in Einzelstücken in die kastilische Estoria de España Alfons X. integriert, die eine konsequent christliche Deutung vornimmt: Die Geschichte Spaniens ist ein einziger heilsgeschichtlicher Kampf gegen die Muslime. Schließlich richtet der Vortragende seinen Blick auf die arabische Geschichtsschreibung der Iberischen Halbinsel. Diese entwickelt schon im 10. Jahrhundert ein eigenständiges Konzept, aber sie konstruiert keine andalusische Sonderidentität gegenüber den Christen der christlichen Königreiche im Norden der Iberischen Halbinsel, sondern sie hebt vielmehr die Stellung Córdobas gegenüber der nordafrikanischen Machtsphäre hervor, so etwa bei al-Razi. Obwohl die andalusische Welt seit dem 11. Jahrhundert zwischen die Machtblöcke in Nordafrika und Westeuropa gerät, gibt es auch jetzt noch keine arabische Selbstpositionierung im Bereich der Historiographie gegenüber dem Christentum. Die muslimisch-christliche Abgrenzung wird vielmehr im Bereich der Polemik abgehandelt, man denke nur an Ibn Hazm. Zusammenfassend kann man auf beiden Seiten der Iberischen Halbinsel, der christlichen wie der muslimischen, eine historiographische Zweiteilung konstatieren, die zu verschiedenen Zeiten, nämlich in den Krisenzeiten der jeweiligen Seite erfolgte. Die historiographische Betrachtung konzentriert sich dabei aber nicht allein auf die religiösen Aspekte der jeweils anderen Seite.

Yossef Schwartz (Tel Aviv): The Jew, the Cristian and the Christian-Jew: Jewish Apostates as Cultural Mediators in Medieval Spain

Der Vortrag problematisiert die jüdischen Apostaten (Konvertiten) im mittelalterlichen Spanien, die als Vermittler von Kultur wirken. Es geht um Juden, um Christen und um Christen-Juden. Zunächst wird das Tagungsmotto aufgegriffen, das ja die Juden absichtlich nicht erwähnt, weil sie in die anderen kulturellen und religiösen Blöcke der Iberischen Halbinsel integriert gewesen sind. Doch was haben Petrus Alfonsi, Judah ha-Levi, Ibn Ezra, Moses Maimonides und andere gemeinsam? Es ist sicher kein Zufall, daß zu Beginn des 12. Jahrhundert die iberischen Juden in soziale und geographische Bewegung geraten und entweder in die christliche oder in die muslimische Welt auswandern, ohne dabei in den neuen Lebenskontexten ihren andalusischen Zugriff auf ihr Weltverständnis aufzugeben. Als Gründe für diese jüdische Fluchtbewegung nennt der Referent die Krise des talmudischen Judentums und den sozialen Druck, den die neuen politischen Machtverhältnisse auf der Iberischen Halbinsel ausüben. Doch wo ist in der jüdischen Weltsicht der zentrale Platz der Juden in der ihnen bekannten Welt? Petrus Alfonsi hat kein Interesse an einem systematischen theologischen Entwurf für seine Konversion. Der Jude ist für Petrus der postbiblische Jude, und das ist auch später immer wieder der Fall. Alle Konvertiten, die eine antijüdische Polemik schreiben, haben sowohl den realen Juden, wie auch den ‚typischen’, d. h. den literarisch inszenierten im Blick. Bei Petrus Alfonsi reden der alttestamentliche Moses und der neutestamentliche Petrus, im Scrutinium scripturarum des Paulus von Burgos allein die beiden neutestamentlichen Identitäten Saulus und Paulus miteinander. Als bedenkenswertes Spezifikum des 13. Jahrhunderts hebt der Referent hinsichtlich des gestellten Vortragsthemas die Tatsache hervor, daß etliche Dominikaner oder ‚Kollaborateure’ des Ordens jüdische Konvertiten gewesen sind. Er kennzeichnet diese als eine eigene spezifische intellektuelle Gruppe neben den anderen, die am Religionsdialog beteiligt gewesen sind. Am Ende des Vortrags stehen mehr Fragen als Antworten: Wie kann der frühe ‚Ausreißer’ Petrus Alfonsi mit Blick auf die langfristigen Entwicklungsstrukturen erklärt werden? Und liegt in der Struktur der skizzierten spezifischen Gruppe innerhalb des Dominikanerordens nicht eine Erklärung für die vorzüglichen Hebräischkenntnisse vor allem des Raimundus Martini, aber auch des Alfonsus Bonihominis?

Frederek Musall (Heidelberg): Tradition and Controversy. R. Meir ha-Levi Abulafia (ca 1165–1244) and Jehuda al-Hazriri (1165–1225) on the Cultural Heritage of al-Andalus

Der Vortrag vergleicht die Positionen der jüdischen Zeitgenossen R. Meir ha-Levi Abulafia und Judah ha-Harizi hinsichtlich ihrer Einschätzung des/ihres kulturellen Erbes von al-Andalus. Beide sind Zeitgenossen des Rodrigo Jiménez de Rada. Ein zentrales Thema ist in ihren Werken die Umschreibung Toledos, in das die bedeutendste rabbinische Bibliothek verlagert wird. Vielen Autoren der Zeit erscheint Toledo als neues Jerusalem des jüdischen al-Andalus. Der Referent verbindet dies mit dem Hinweis auf das Exilmotiv in der jüdischen Literatur („Mein Herz ist im Osten“) und die damit verbundene Spannung der andalusischen Juden, die, wie etwa Judah ha-Levi, nach Palästina auswandern. Arabisch ist die poetische Sprache dieser Autoren, aber es gibt gerade in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht nur innersefardische Transferprozesse, sondern auch einen askenatischen Transfer auf die jüdische Iberische Halbinsel. Die jüdische Kultur ist hier eine recht einheitliche hispanisch-jüdische Kultur. Neue und entscheidende Impulse erhält diese Kultur mit Moses Maimonides, in dessen Gefolge sich die Möglichkeit eines neuen Rechtsdiskurses abzeichnet.

Matthias M. Tischler (Frankfurt am Main): Übersetzen als des/integrativer Akt. Die lateinischen Übertragungen arabischer muslimischer Literatur auf der Iberischen Halbinsel im 12. und 13. Jahrhundert

An den Anfang seines Vortrags stellt der Referent zur Illustration seines Anliegens drei Bilder, die eine glossierte lateinische Koranhandschrift des 13. Jahrhunderts, einen zeitgleichen glossierten Codex mit antikem römischen Recht und eine glossierte lateinische Bibelhandschrift desselben Jahrhunderts zeigen. Der Vergleich macht deutlich, daß sich die Seitengestaltung des lateinischen Korancodex nicht am Modell der kommentierten heiligen Schrift, sondern an dem des glossierten Rechtscodex orientiert und daß man der Kommentierung des integrierten neuen Wissens bedurfte. Das Beispiel zeigt ferner, wie weit die formale und mentale Integration von fremdem religiösem Wissen in der Buchkultur des lateinischen Christentums gehen konnte und welcher Techniken der Desintegration man sich dabei bediente. Schließlich zeigt das Beispiel, daß Integration und Desintegration nicht voneinander zu trennen sind. Um insbesondere diese These zu belegen, untersucht der Vortrag die interreligiösen Übersetzungsinitativen des lateinischen Christentums aus der Perspektive des integrativen wie desintegrativen Potentials von Wahrnehmung und Deutung religiöser Fremdheit. Im Mittelpunkt stehen die Übertragungen des Koran sowie der religiösen Schriften zu Mohammed und zum Islam. In einem ersten Abschnitt werden die Begleitschriften, in Sonderheit die Vorworte zu den Übersetzungen, auf explizite Äußerungen zur Fragestellung der Des/Integration untersucht, und in einem weiteren Abschnitt wird die Übersetzungspraxis selbst mittels dieser Erkenntniskategorie befragt. Hierzu wird der historische Kontext skizziert, da theoretische Äußerungen zum Übersetzen aus dem Arabischen wie auch seine praktische Umsetzung nur vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Islamkenntnisse der Kirche, ihrem Verständnis von Heidentum und Häresie, der Rolle des Distanzverhältnisses der heiligen Sprache der Kirche zur heiligen Sprache des Islam, also von Latein zum Arabischen, und den zahlreichen sich auftuenden mentalen, kulturellen und religiösen Hürden zu verstehen ist. Doch trotz dieser innerkulturellen Schranken überwiegt der Hang zur Pragmatik, da sich die Erkenntnis durchsetzt, daß der ‚Griff in den fremden Bücherschrank’ eine effiziente Form von Machtgewinn und Machtausübung ist, die als ‚Reconquista der arabischen Textlandschaft’ die territoriale und politische ‚Reconquista’ begleiten muß. Der Vortrag belegt schließlich, daß das große arabisch-lateinische Übersetzungprojekt ein vielschichtiger Integrationsvorgang mit dem Ziel der umfassenden Desintegration des in den eigenen Wissenskosmos hereingeholten religiösen Anderen ist. Es werden Überlegungen angestellt zu den Umgangsformen mit dem arabischen Ausgangstext als Gradmesser des bereits erreichten Integrationswillens wie auch der intendierten Desintegrationsabsicht, dann zur Rolle des Übersetzers zwischen Auftraggeberwillen, Werktreue und Publikumsorientierung sowie zu den verschiedenen inneren wie äußeren Ausdruckformen des ‚siamesischen Zwillings’ Des/Integration im arabisch-lateinischen Mittelalter (Textauslassungen, innere Kommentare, Glossen, äußere Kommentare, Vorworte und Begleitschriften). Der Vortrag kommt zu dem ernüchternden Fazit, daß die christliche, polemisch begleitete Islamintegration seit dem Mittelalter oft nicht viel mehr als ein einziger desintegrierender Kommentar zum Islam ist.

Nikolas Jaspert (Bochum): ‚Reconquista’ und ‚Kreuzzug’. Interdependenzen und Tragfähigkeit zweier wertkategorialer Deutungsmuster

Als Einstieg wählt der Referent einen autobiographischen Text des letzten Taifa-Herrschers von Granada im 11. Jahrhundert und einen Text des Erzbischofs von Braga kurz vor der Eroberung von Coimbra im Jahr 1064. Aus diesen Zeugnissen geht hervor, daß es spätestens am Ende des 11. Jahrhunderts ein nicht nur christliches Bewußtsein für die gerechtfertigte Rückeroberung der Iberischen Halbinsel gegeben hat. ‚Reconquista’ ist ein Terminus, der sich nicht nur bis ins frühe 19. Jahrhundert als französisches Wort „reconquête“ (spanischer Freiheitskampf gegen Napoleon: Muster des nationalen Freiheitskampfes), sondern bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen läßt. Der Terminus ist Ausdruck nicht allein der Rückeroberung Kastiliens, sondern wird zunächst als „restauración“ Gesamtspaniens verstanden. Interessant ist der Einsatz des Wortes in der jüngeren Geschichte Spaniens, vor allem unter dem als „reconquistador“ apostrophierten Franco, was erklärt, warum er in der Ära nach Franco so schwer zu überwinden gewesen ist. Bis in die jüngste Zeit erfährt er Kritik, weshalb man als Ersatztermini ‚conquista’ oder ‚agressión feodal’ vorschlägt. Bei dem jüngsten Streit zwischen Pierre Alexander Bronisch und Patrick Henriet, ab wann man überhaupt von ‚Reconquista’ sprechen könne, sei zu berücksichtigen, inwieweit das tatsächliche Handeln im 11. Jahrhundert den Konzepten der zeitgenössischen Chroniken entsprochen habe. Jedenfalls sei seit der Wende zum 11. Jahrhundert in den iberischen Texten immer das Doppelmodell von ‚Wiedereroberung’ und ‚Wiederherstellung’ feststellbar. Dazu trete natürlich auch die Glaubensvermittlung. Es ist aber zu beachten, daß das Papsttum und die auswärtigen monastischen Kräfte (Cluny) die Wiedereroberung Spaniens eher in die Nähe des Kreuzzugs rücken, während der einheimische Adel und die Bischöfe eher die Wiederherstellung im Blick haben. Entscheidend wird nun auch die zunehmend wichtige Außenwahrnehmung von Muslimen (Almoraviden) und Papsttum. Der andere Terminus, um den sich der Vortrag dreht, ist der ‚Kreuzzug’, mit den Worten des Referenten ein Polymythos. Im Unterschied zu ‚Reconquista’ gibt es aber keinen öffentlichen Diskurs hierum. Denn hier spricht die Sprache des Siegers, auch wenn der Terminus ähnlich problematisch wie etwa der Begriff ‚Deutsche Ostsiedlung’ ist.

Carlos Reglero de la Fuente (Valladolid): Cluny en el contexto político y cultural de la Península Ibérica, siglos XII y XIII

Der Referent hebt auf zwei Aspekte ab, zum einen auf die politische Dimension Clunys als Kongregation in Spanien und zum anderen auf die Frage, ob es so etwas wie eine Vision von cluniazensischer Geschichtsschreibung in Bezug auf Spanien und auf die Muslimen bzw. Christen gegeben hat. Um auf diese beiden Aspekte eine Antwort zu finden, skizziert der Referent zunächst die historische Forschung zu Cluny in Spanien. Er erwähnt den französischen Historiker Guy de Valous, der meinte, daß die Cluniazenser den französischen Rittern in Spanien geholfen hätten. Jedoch weiß man heute, daß Cluny nur in Nordspanien, konkret im Königreich León Alfons VI., richtig verbreitet gewesen ist, während der Orden in Katalonien nur wenige Klöster besessen, in Navarra eine marginale und späte Rolle gespielt hat und in Aragón gänzlich abwesend gewesen ist. Dann geht der Referent auf die Chronistik ein, die von der Forschung als cluniazensisch bezeichnet wird. In der Chronica Adefonsi imperatoris (Autor: Bischof Arnaldus von Astorga, ehemals Prior von San Servando in Toledo) ist die Rolle Clunys aber absolut marginal. Auch die Chronica Naierensis, die ein anonymer Autor schreibt, entwickelt keine eigentliche spezifisch cluniazensische Perspektive. Ähnliches gilt für die Epitome vitae sancti Hugonis ab Ezelone atque Gilone. Erwähnt werden schließlich die Miracula S. Zoilonis aus dem cluniazensischen Priorat San Zoilo de Carrión, die ein Mönch namens Rudolf 1136 verfaßt. Sie erwähnen an einer einzigen Stelle Muslime und Juden, thematisieren ansonsten die Furcht vor den Muslimen und unterstreichen die große Zahl der Juden in Spanien.

Maribel Fierro (Madrid): Almohad Policies on Religious Conversion

Die Referentin charakterisiert die almohadische Politik hinsichtlich der Konversion von Angehörigen der anderen Religionsgemeinschaften in al-Andalus. Hierzu beschreibt sie zunächst die zeitgenössischen Vorstellungen, was denn ein „dhimmi“ sei. Schon unter den Almoraviden hat sich die Stellung der christlichen und jüdischen Schutzbefohlenen verschlechtert. Es hat nun sogar gezielte Missionsbemühungen vor allem gegen die Juden gegeben. Interessant ist dann die unter den Almohaden feststellbare Thematisierung der religiösen Landschaft Arabiens: Im Land der Araber könnten keine zwei religiöse Gemeinschaften leben, weshalb die Vertreibung der Juden zu einem Thema wird. Es sind aber auch Ansätze zur Zwangskonversion unter den Almohaden festzustellen. Während der Almohaden-Herrschaft ist eine arabische Ibn Hazm-Rezeption festzustellen. Daher stellt sich die Frage, ob es zur selben Zeit auch auf christlicher Seite eine solche Rezeption gegeben hat. Zudem muß in diesem Zusammenhang die Gestalt des Ibn Tumart, des Begründers der Almohaden-Bewegung, beachtet werden, der sich als eine messianische Gestalt verstand, denn dieses Selbstverständnis ist für die Konversion ebenfalls wichtig, weil hierin die Konvergenz zu einer einzigen Religion angelegt ist.

Philippe Josserand (Nantes): Croisade et ordres militaires dans les chroniques latines du royaume de Castille durant la première moitié du XIIIe siècle

Der Referent beschreibt die Rolle von Kreuzzügen und Ritterorden in der lateinischen königlichen Chronistik von Kastilien und Léon zwischen der Mitte des 12. und der Mitte des 13. Jahrhunderts. Es betont zunächst, daß noch immer eine große Diskrepanz zwischen der von der Wissenschaft gut edierten und studierten Überlieferung narrativer Texte und der noch weitestgehend ungehobenen Archivüberlieferung der Iberischen Halbinsel bestehe. Auch sei es wichtig, den Einbezug der auf Jerusalem zentrierten Kreuzzugsidee in der genannten iberischen Chronistik zu problematisieren (diese Aufforderung ist dem Paradigmenwechsel in der internationalen Kreuzzugsforschung geschuldet, die beide Forschungsfelder zunehmend vergleichend behandelt), denn es gebe immer wieder Nachrichten über vereinzelte kastilisch-leonesische Adlige, die am Kreuzzug ins Heilige Land teilgenommen haben. Der Referent kristallisiert als eine entscheidende Person des 12. Jahrhunderts den noch wenig studierten Rodrigo González de Lara heraus, der in der Chronica Adefonsi imperatoris eine Art Personifizierung des Alternativkonzepts ‚Engagement im Heiligen Land’ sei. Dann spricht der Referent die Beziehungen der iberischen Königreiche zum Heiligen Land im Spiegel der Chronistik an: In der Chronica Naierensis gibt es eine kleine Anspielung ans Heilige Land (erwähnt wird ein griechischer Pilger, genommen aus der Historia Silense?), im Chronicon mundi des Lucas von Túy und in der kastilischen Geschichtsschreibung des Rodrigo Jiménez de Rada und des Johannes von Osma gibt es aber so gut wie keine Erwähnungen von Ereignissen im Orient. Schließlich problematisiert der Referent noch die sporadische chronikalische Wahrnehmung der Ritterorden auf der Iberischen Halbinsel. Ihre Erwähnung ist offenkundig nicht Ausdruck von besonderem Interesse, da die Darstellung der historiographischen Texte auf den König zentriert ist und den Ritterorden nur eine subsidiäre Funktion zugesteht.

Robin J. E. Vose (Fredericton): The Limits of Dominican Mission in the Western Mediterranean

Der Referent zeigt auf, an welche Grenzen die dominikanische Mission in der westlichen Missionsbewegung gestoßen ist bzw. was sie im iberischen Raum tatsächlich gewesen ist. Er problematisiert die Vorstellung von einer dominikanischen Mission im iberischen Kontext des 13. Jahrhunderts. Sie scheint eine Konstruktion der jüngeren Ordensgeschichtsschreibung in Rückschau auf die eher unspektakulären eigenen Anfänge zu sein. Der Vortragende behandelt zunächst die sog. „studia linguarum“ als Missionsschulen, doch sei die diesbezügliche Dokumentation in den Generalakten des Ordens und in den Akten der hispanischen Provinz auffallend spärlich. Haben wir hier wirklich ein ernstes Missionsprogramm vor uns liegen? Zumindest bezüglich des Hebräischstudiums könnte es sich auch um ein Trainingsprogramm zum besseren Verständnis der hebräischen Bibel im 13. Jahrhundert handeln, was sozusagen ein Rückkoppelungseffekt von den iberischen Hebräischschulen (Barcelona, Murcia) auf das zeitgleiche Paris der Dominikaner wäre. Als zweites Missionsfeld nennt der Referent die zeitgenössischen Religionsgespräche. Sicher hat es hier und da private Gespräche gegeben, auch einige Religionsgespräche wie die in Barcelona oder auf Mallorca sind bezeugt. Aber insgesamt läßt sich kein eigentliches Dialogprogramm erkennen, denn Raimundus Martini ist eine absolute Ausnahmeerscheinung (und seine Werke sind selbst in den mittelalterlichen dominikanischen Bibliotheken auffallend gering verbreitet) und Raimundus von Peñafort hat keine Missionspredigten, sondern pastorale Predigten geschrieben. Als drittes Feld betrachtet der Referent schließlich die dominikanische Mission in der muslimischen Fremde. Handelte es sich wirklich um Mission oder ging es nicht eher um die pastorale Betreuung vor allem von Christen, während die Konversion von Muslimen keine zentrale Aufgabe war? Als Fazit hält der Referent fest, daß man den Missionsaspekt bei den frühen Dominikanern nicht zu sehr betonen solle und daß man die Zeugnisse im weiteren intellektuellen Kontext der Zeit sehen müsse.

Jesús Santiago Madrigal Terrazas (Madrid): Judíos, moros y cristianos. La visión teológica de Juan de Segovia acerca de las tres culturas ibéricas

Der Referent behandelt die theologische Dimension der drei Religionsgemeinschaften bei dem spanischen Theologen Johannes von Segovia. Er nimmt seinen Ausgang von den kontroversen Konzepten, welche die spanischen Historiker Claudio Sánchez Albornoz und Americo Castro nach dem 2. Weltkrieg bezüglich dieser Gemeinschaften für den Iberischen Raum entworfen haben. Johannes von Segovia wächst im historischen Kontext der Zwangstaufe der Juden von 1391 auf. Er ist Magister der Universität Salamanca, theologischer Autor und Teilnehmer auf dem Konzil von Basel, wo er für den Konziliarimus steht. Der Referent beschreibt dann die Theologie der Religionen, wie sie sich in den Werken des Johannes widerspiegelt. In der 1952 zu Johannes erschienen Monographie von Darío Cabanelas Rodríguez ist ein theologisches Werk des Johannes noch nicht beachtet, das nach dem Titel zwar nichts mit dem Thema des Vortrags zu tun haben scheint, das jedoch ein Schlüssel zum Verständnis der zeitgenössischen Rolle der Bischöfe Spaniens für das Zusammenleben der Religionen ist: Johannes’ Werk De magna auctoritate episcoporum in concilio generali. Der Vortragende geht dann auf die Situation der Juden im 15. Jahrhundert ein: Entweder bleiben die Juden offen bei ihrem Glauben oder sie üben ihn als sog. „marranos“ klammheimlich aus. Johannes’ Auseinandersetzung mit dem Islam intensiviert sich vor allem seit dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453, aber schon in seiner Repetitio De fide catholica von 1427 geht er auf Juden und Muslime ein. Johannes hat auch einen Traktat De vera religione verfaßt, in dem er sich gleichfalls zu Juden und Muslime äußert. Insgesamt kann man sagen, daß Johannes ein friedvolles, auf den Dialog gestütztes Religionskonzept verfolgt, in dem ein ständiger wissenschaftlicher Austausch gewährleistet sein soll. Hierzu gehört auch die eigene intensive Beschäftigung mit dem Koran.

Anna Akasoy (London): Law and Longing: al-Andalus in Exile

1830 besucht Benjamin Israeli die Alhambra in Granada, gibt sich dort als Maure aus und soll schließlich geäußert haben: „This palace is mine“. Diese Begebenheit ist der Aufhänger zu einem Vortrag, der erklären möchte, wie ein sefardischer Jude, der später zum Christentum konvertiert, sein Selbstverständnis zur andalusischen Kultur formuliert und welche historische Dimension hinter dieser Selbstpositionierung steht. Die Referentin legt ihr Hauptaugenmerk dann aber nicht auf das Nord-Süd-Paradigma des Kongreßmottos, sondern auf das im Spätmittelalter wichtigere (Spannungs)Verhältnis zwischen westlicher und östlicher islamischer Welt, da immer wieder Fluchtbewegungen von Muslimen von der Iberischen Halbinsel nach Nordafrika, nach dem Nahen Osten oder nach Arabien beobachtet werden können. Diese Muslime bringen ihre fremde Sprache in diese Länder und müssen sich gegen Ausgrenzungen wehren. Schließlich treffen hierdurch die im Westen und Osten verschiedenen Sufi-Traditionen aufeinander. Hinsichtlich ihres Vortragstitels bezeichnet die Referentin mit „law“ das im Glaubensgesetz des Islam Festgehaltene und Mitgenommene, mit „longing“ den emotionalen Aspekt des Verlustes und des Verlorenen.

Henrik Wels (Berlin/Würzburg): Der philosophische Diskurs zum Menschenbild auf der Iberischen Halbinsel. Auswirkungen auf die hispanische Expansions- und Missionsgeschichte der Frühen Neuzeit

Der Referent thematisiert den philosophischen Diskurs zum Menschenbild auf der Iberischen Halbinsel und skizziert, welche Auswirkungen dieser auf die hispanische Expansions- und Missionsgeschichte der Frühen Neuzeit gehabt hat. In einem Eingangskapitel wird die Pariser Verurteilung der 219 Artikel mit dogmatisch problematischen Lehrsätzen von 1277 angesprochen, die gegen den Averroismus gerichtet sind, und die Rezeption dieser Verurteilung durch den Pariser Bischof Stephan von Tempier in der späteren Aristoteles-Kommentierung skizziert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Intellekttheorie, die Prädizierbarkeit der Species Mensch von allen Individuen der Art sowie die daraus abgeleitete Gleichheit der Menschen. Der Referent schreitet diese Rezeption dann bis in das 16. bzw. 17. Jahrhundert ab (Thomas von Aquin, Schule von Coimbra, Schule von Salamanca etc.) und bringt auch Beispiele aus dem iberischen Kulturraum. Dabei kann er zeigen, daß die Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt und die Konfrontation mit den dort lebenden Indios einen massiven Einfluß auf das im Spätmittelalter ausgebildete aristotelische Menschenbild ausgeübt hat. Im Mittelpunkt dieser neuen Entwicklungen steht naturgemäß Bartolomé de las Casas.

Mariano Delgado (Fribourg): Zwischen Alter und Neuer Welt. Die Iberische Halbinsel zu Beginn der europäischen Expansion

Der Schlußvortrag der Tagung leitet in die Neuzeit über. Der geänderte Titel lautet nun „Zur Führung bereit. Oder: Eine Nation findet ihre historische Bestimmung. Spanien um 1500“. Der Referent stellt für seinen Zeitraum eine erste Globalisierung der Menschheitsgeschichte fest, die aber nicht von China, sondern von Westeuropa ausgegangen sei. Dabei sei es zu einer historischen Achsendrehung gekommen. Der Referent stellt in Frage, ob es sich dabei um eine Verlängerung des Mittelalters über 1500 hinaus in die Neuzeit hinein gehandelt habe, wie das noch Ramón Menéndez Pidal meinte. Dann skizziert er die Geschichte Spaniens zwischen 1500 und dem sog. Pyrenäenvertrag von 1659. Zunächst habe es eine Phase der Führungsübernahme, eine neue Form von „translatio imperii“ (wie schon immer) von Osten noch weiter nach Westen, nach Spanien gegeben. Es sei damals das Modell einer „monarchia universalis“ entworfen worden, deren Träger Karl V. gewesen sei. Dieses Modell sei aber auch im Bewußtsein der folgenden spanischen Monarchen verankert gewesen. In einem zweiten Abschnitt behandelt der Referent die staatliche Organisation Spaniens und zeigt, daß das Land das modernste des 16. Jahrhunderts gewesen ist. Er geht auf die neue Ratstruktur im ganzen Land (die ständischen Cortes seien nur zu Beginn der Herrschaft Ferdinands und Isabellas zweimal einberufen worden), auf den einflußreichen Thronrat und auf die Inquisition als hochwirksames politisches Instrument ein. Nach 1492 sei der Abschluß der territorialen Einheit Spaniens ein wichtiges Ziel gewesen, etwa durch die Eingliederung des Königreichs Navarra am Anfang des 16. Jahrhunderts, wodurch die Pyrenäengrenze in den Vordergrund rückt. In einem dritten Teil des Vortrags spricht der Referent die spanische Religionspolitik an. Sie habe bis zu einem gewissen Grade das späteren Staatskirchentum vorweggenommen, wie es im 17. Jahrhundert das Frankreich Ludwigs XIV. realisiert habe: Die katholischen Könige hätten sich z. B. Patronatsrechte gesichert, und es habe nicht die Reformbedürftigkeit wie im Deutschen Reich gegeben, zumal die bereits reformierten monastischen Orden in der Neuen Welt ein neues Aufgabenfeld gefunden hätten. In einem vierten Vortragsteil skizziert der Referent das ‚Ende der multikulturellen Gesellschaft’ Spaniens als eine neue Form von erzwungener Diaspora. Insgesamt seien 17 % der Gesamtbevölkerung ausgewandert oder vertrieben worden. Der Referent bemerkt, daß in Spanien die Konvivenz im Sinne Americo Castros nie funktioniert habe, sondern eher als das Ergebnis einer jeweils neu auszuhandelnden Lösung pragmatischen Zusammenlebens zu verstehen sei. Er charakterisiert das Zusammenleben dieser ‚Gesellschaft von Conversos’ als eine in Angst vor Denunziation und Inquisition lebende Gemeinschaft voller Spannungen. Das ‚Konfessionalisierungsparadigma’ der Reformationszeit („cuius regio, eius religio“) sei in Spanien vorweggenommen worden, da es dort einen Staat mit Einheitsreligion gegeben habe. In einem fünften Abschnitt zeigt der Referent den Transfer der bislang geschilderten Mentalität Spaniens um 1500 in die Neue Welt auf. Schließlich beschreibt er in einem sechsten Kapitel die schleichende Dekadenz Spaniens, als das Land aus einer exzellenten politischen und intellektuellen Stellung in eine allgemeine Mittelmäßigkeit absinkt. Kennzeichen sei nun eine immer stärkere Einigelung Spaniens gewesen, das in dem Wunsch nach Bewahrung des erreichten Status quo zum Ausdruck gekommen sei. Im 17. Jahrhundert habe dann eine neue „translatio imperii“ von Spanien nach Frankreich stattgefunden. An die Stelle der spanischen Hegemonie sei nun die französische getreten.

© by Dr. Matthias M. Tischler